Das Projekt ist das Ergebnis eines interdisziplinären Workshops „Dazwischen – und dennoch außen vor. Interkulturelle Mittler im deutsch-chinesischen Kontakt“ über interkulturelle Mittler im deutsch-chinesischen Kontakt, der 2012 am FB 06 veranstaltet wurde.
Da entgegen der offensichtlichen Relevanz des chinesischen Sprachraums bis dato kaum Arbeiten vorliegen, die sich mit dem Phänomen interkultureller (und meist informeller) Vermittlung im Sprachenpaar Deutsch/Chinesisch auseinandersetzen, wurde ein Forschungsnetzwerk auf der Ebene von Professoren und Nachwuchswissenschaftlern aufgebaut, die sich mit ähnlichen Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln beschäftigen (Ethnologie, Soziologie, Gesprächsforschung). Daneben wurden in einer Diskussionsrunde mit deutschen und chinesischen Praktikern erste Einblicke in die kommunikative und lebensweltliche Praxis von KulturmittlerInnen gewonnen.
Theoretische Weiterentwicklung
Schnittmengen zwischen interkultureller und translationswissenschaftlicher Theoriebildung wurden mit Blick auf das Chinesische bis dato kaum erörtert. Die Beschäftigung mit interkulturellen Vermittlungsprozessen im deutsch-chinesischen Kontakt ermöglicht es vor diesem Hintergrund anhand konkreter empirischer Ergebnisse aus Befragungen von Sprach- und KulturmittlerInnen zu zeigen, wie eng beide Themenfelder miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig bedingen. Die Komplexität des Untersuchungsgegenstands impliziert daneben, theoretische Diskussionen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen (auch in chinesischer Sprache) aufeinander beziehen, um das Phänomen angemessen beschreiben zu können. Arbeiten aus dem Bereich der Kulturanthropologie, Soziologie und Linguistik zählen ebenso dazu wie die Analyse des Umgangs mit Mehrsprachigkeit vor dem Hintergrund des Englischen als Lingua Franca oder kulturtheoretische Perspektiven auf die postulierte Einzigartigkeit chinesischer Kultur in der interkulturellen Kommunikationsforschung (Poerner 2013b). Die wissenschaftliche Herausforderung liegt darin, die Relevanz zweifellos bestehender kultureller Unterschiede für die deutsch-chinesische Wirtschaftskommunikation herauszuarbeiten. Die Fragestellung des Projekts lautet daher, vor welchen spezifischen kommunikativen Aufgaben Sprach- und KulturmittlerInnen im deutsch-chinesischen Kontakt stehen.
Curriculare Konsequenzen
Die theoretische Ausgangsposition spiegelt sich in Studiengängen an deutschen und chinesischen Universitäten wider: Weder die übersetzungsbezogene Ausbildung am FB 06, noch die Ausbildung zu Konferenzdolmetschern an chinesischen Universitäten werden dem Wirklichkeitsphänomen informeller Kulturmittlung gerecht. Sinologische Studiengänge weisen ohnehin nur wenige Berührungspunkte zu Translationswissenschaft und Interkultureller Kommunikation auf. Bisher existiert auch kein chinabezogener Studiengang, im Rahmen dessen eine Ausbildung im Bereich Interkulturelle Kommunikation möglich wäre (Poerner 2011, 2013a).
Vor diesem Hintergrund ist es am Beispiel interkultureller MittlerInnen möglich, auf anschauliche Art und Weise zu zeigen, welche interkulturellen und dolmetschbezogenen Anforderungen an Kulturmittler gestellt werden, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben und wie sie damit – meist ad-hoc und aus intuitiv-autodidaktischem Kalkül – umgehen.
Vorgehensweise und Zeitplan
Geplant ist die Durchführung narrativer Interviews mit etwa zehn deutschen und zehn chinesischen Mittlern sowie Gespräche mit Unternehmensvertretern in Deutschland und China. Die Kontaktsuche läuft seit Oktober 2012 und wird inkl. der anvisierten Gesprächstermine bis April 2013 abgeschlossen sein. Das Ziel des Projekts bestet darin, Ende 2013 erste Ergebnisse als Beitrag im International Journal of Research and Practice in Interpreting (Hg. Franz Pöchhacker) einzureichen und damit einem größeren Interessenskreis in der Translationswissenschaft zugänglich zu machen. Auf dieser Grundlage ist geplant, im Jahr 2014 einen Antrag für ein Forschungsprojekt über „lay interpreting und interkulturelle Kommunikation in ökonomischen Handlungsbezügen“ bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu formulieren, im Zuge dessen eine breitere empirische Basis herausgearbeitet und auch andere Sprachenpaare in den Blick genommen werden sollen (Japanisch, Koreanisch etc.).