Prof. Dr. Thiemo Breyer

Wintersemester 2017/2018

Prof. Dr. Thiemo Breyer (Transformations of Knowledge, Universität zu Köln)

Gastgeber: Prof. Dr. Michael Roth und Dr. Marcus Held (Systematische Theologie und Sozialethik)

Vortrag am 6.2.2018:

"Fundamentalismus und Empathie - Vorläufige Überlegungen zu einem Forschungsfeld"
im Rahmen des Seminars "Fundamentalismus und Empathie" (Ev. Theologie)

Vortrag am 15.12.2017:

"Empathie - ihre hellen und ihre dunklen Seiten"

Seit 2014 ist Thiemo Breyer Junior-Professor in der Nachwuchsforscher-Gruppe »Transformation of Knowledge« im a.r.t.e.s. Research Lab der Universität Köln.

Vor seiner Berufung nach Köln war Breyer u.a Koordinator des Forschungsprojektes »Verkörperung als Paradigma für eine evolutionäre Kulturanthropologie« am Marsilius-Kolleg und Geschäftsführer des »Interdisziplinären Forums für Biomedizin und kulturelle Studien« der Universität Heidelberg. Neben diesen administrativen Tätigkeiten war er von 2010-2014 als Post-Doc am Karl Jaspers-Lehrstuhl für Philosophie und Psychiatrie bei Prof. Thomas Fuchs beschäftigt und war langjährig assoziiertes Forschungsmitglied des Husserl Archivs an der Universität Freiburg (2006-2014). Abgesehen von diversen Mitgliedschaften in Gesellschaften und Gutachtertätigkeiten, hatte er verschiedene Fellowships, u.a. aktuell am ZiF in Bielefeld.

Thiemo Breyer promovierte 2010 in der Philosophie mit einer Arbeit über »Attentionalität und Intentionalität - Grundzüge einer phänomenologisch-kognitionswissenschaftlichen Theorie der Aufmerksamkeit«. In dieser Untersuchung gelangt er zu einer Neuinterpretation philosophischer Grundbegriffe wie Wahrnehmung und Bewusstsein, Subjektivität und Intersubjektivität, Erfahrung und Reflexion. Er zeigt, wie subjektive Erlebnisweise und objektiv messbare Verhaltenskorrelate methodologisch aufeinander bezogen werden können. 2014 habilitierte sich Breyer wiederum in Freiburg mit der Untersuchung »Verkörperte Intersubjektivität und Empathie«. Diese Untersuchung widmet sich den Fragen, wie z.B.: Was geschieht in der Begegnung zwischen Menschen? Wie sind die Strukturen von gemeinsamer Erfahrung zu bestimmen? Welche Grenzen und Brüche des intersubjektiven Verstehens gibt es? Anhand von phänomenologischen Intentionalanalysen und anthropologischen Strukturbeschreibungen, die mit metapherngeschichtlichen und narratologischen Überlegungen verbunden werden, entwickelt er eine neue Perspektive von Empathie. Empathie betrachtet Breyer als Prozess, der nicht in abgeschlossenen psychischen Innenräumen stattfindet, sondern in der Öffentlichkeit der leiblichen Begegnung und der sprachlichen Interaktion. Die grundlegende Verkörpertheit des menschlichen Bezugs zur Welt, zu Anderen und zu sich selbst bildet daher bei Breyer den Ausgangspunkt einer Interpretation, die Empathie als multidimensionales Phänomen aufweist.

Während der Gastprofessur arbeitete Thiemo Breyer an der Ausarbeitung des Drittmittelantrags zum Projekt »Bruchlinien des modernen Erfahrungsraumes - Fundamentalismus und Empathie. Interdisziplinäre Studien zur Genealogie der Moderne« unter Federführung der Ev. Theologie (Prof. Roth/Dr. Held) mit. Das Projekt soll die Zusammenhänge der affektiv-sozialen Ordnungsbildung von Fundamentalismen durch Aus- und Rückgriff von kulturellen und medialen Semantiken und Praktiken untersuchen.

Das Forschungsteam aus verschiedenen Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften will die jeweiligen Kulturen der Empathie, deren Konfigurationen und Medien untersuchen. Die zu leistende Forschung perspektiviert in kultur- und geisteswissenschaftlicher Hinsicht ein von den Methoden und Beschreibungsebenen der Psychologie, Politikwissenschaft und Soziologie dominiertes Feld, setzt aber gerade bei der Zusammenschau von Kultur- und Gesellschaftstheorie an.

Publikationen (Auswahl):

Breyer, T. (2015). Verkörperte Intersubjektivität und Empathie. Philosophisch-anthropologische Untersuchungen. Frankfurt a.M.: Klostermann.

Breyer, T. (2011). Attentionalität und Intentionalität. Grundzüge einer phänomenologisch-kognitionswissen-schaftlichen Theorie der Aufmerksamkeit. Paderborn: Wilhelm Fink.

Herausgeberschaften:

Breyer, T. & Gutland, C. (Hg.) (2016). Phenomenology of Thinking. Philosophical Investigations into the Character of Cognitive Experiences. London: Routledge.

Breyer, T. & Müller, O. (Hg.) (2016). Funktionen des Lebendigen. Berlin/New York: de Gruyter.

Breyer, T. & Creutz, D. (Hg.) (2016). Phänomenologie des praktischen Sinns. Die Willensphilosophie Paul Ricoeurs im Kontext. Paderborn: Wilhelm Fink.

Doyon, M. & Breyer, T. (Hg.) (2015). Normativity in Perception. Basingstoke: Palgrave Macmillan.

Breyer, T. (Hg.) (2013). Grenzen der Empathie. Philosophische, psychologische und anthropologische Perspektiven. Paderborn: Wilhelm Fink.

Breyer, T. & Creutz, D. (Hg.) (2010). Erfahrung und Geschichte. Historische Sinnbildung im Pränarrativen. Berlin/New York: de Gruyter.

Breyer, T. (2007). On the Topology of Cultural Memory. Different Modalities of Inscription and Transmission. Würzburg: Königshausen & Neumann.

Themenbezogene Artikel:

Breyer, T. (forthcoming). Empathy, sympathy, and compassion. In: T. Szanto & H. Landweer (eds.). Routledge Handbook of Phenomenology of Emotions. London: Routledge 2018.

Hussain, S.T. & Breyer, T. (forthcoming). Menschwerdung, Verkörperung und Empathie. Perspektiven im Schnittfeld von Anthropologie und Paläolitharchäologie. In: G. Etzelmüller, T. Fuchs & C. Tewes (eds.), Verkörperung: Eine neue interdisziplinäre Anthropologie. Berlin/Boston: de Gruyter 2017.

Breyer, T. (2016). Soziale Wahrnehmung zwischen Erkenntnistheorie und Anthropologie. Jahrbuch Interdisziplinäre Anthropologie 4, 141–162.

Breyer, T. (2016). Violence as violation of experiential structures. Phenomenology and the Cognitive Sciences. DOI 10.1007/s11097-016-9476-9

Breyer, T. (2016). Selbstsorge und Fürsorge zwischen Vulnerabilität und Resilienz. In: C. Richter (ed.), Ohnmacht und Angst aushalten. Kritik der Resilienz in Theologie und Philosophie. Stuttgart: Kohlhammer, 140–160.

Breyer, T. (2015). Der Mensch im Spiegel des Anderen. In: O. Müller & G. Maio (eds.), Orientierung am Menschen. Anthropologische Konzeptionen und normative Perspektiven. Göttingen: Wallstein, 275–303.

Breyer, T. (2015). Social visibility and perceptual normativity. In: M. Doyon & T. Breyer (eds.), Normativity in Perception. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 140–160.

Breyer, T. & Hussain, S. T. (2014). Empathie. In: G. Jüttemann (ed.), Entwicklungen der Menschheit: „Integrative Humanwissenschaft“ als Forschungskooperative und Metadisziplin. Lengerich: Pabst, 233–240.

Breyer, T. (2013). Empathie und ihre Grenzen: Diskursive Vielfalt – phänomenale Einheit? In: T. Breyer (ed.), Grenzen der Empathie. Philosophie, psychologische und anthropologische Perspektiven. Paderborn: Wilhelm Fink, 7-36.