Wintersemester 2015/2016
Prof. Dr. Immacolata Amodeo (Villa Vigoni, Centro Italo-Tedesco per l'eccellenza Europea, Loveno di Menaggio, Italien)
Gastgeber: PD Dr. Frank Zipfel (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Vortrag in Mainz:
"Pässe sollte man sammeln wie Briefmarken." Literarische Staatsbürgerschaft unter dem Vorzeichen der Migration am 18. Januar 2016 im Rahmen der Ringvorlesung „Paradigmen der Weltliteratur“.
Vortrag in Germersheim:
23. Mai 2016, im Rahmen des romanistischen Nachwuchskolloquiums
Immacolata Amodeo wurde in Carfizzi (Süditalien) geboren und hat Germanistik, Anglistik, Romanistik an den Universitäten Perugia und Frankfurt/Main studiert. Sie wurde 1994 an der Universität Siegen promoviert und hat sich 2001 an der Universität Bayreuth habilitiert (Lehrbefugnis für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft). Seit 1989 war sie in Forschung und Lehre an den Universitäten Siegen und Bayreuth sowie an der Università della Calabria in Cosenza tätig. 2004 wurde sie als Associate Professor an die Jacobs University Bremen berufen und ist dort seit 2011 Full Professor of Literature. Zurzeit ist Prof. Amodeo in Bremen beurlaubt und leitet als Generalsekretärin das deutsch-italienische Zentrum für europäische Exzellenz Villa Vigoni, ein Tagungs-, Forschungs-, Kultur- und Begegnungszentrum am Comer See, dessen Aufgabe in der Beförderung des Austauschs zwischen Deutschland und Italien in Wissenschaft, Kultur, Politik und Ökonomie im europäischen und internationalen Kontext besteht. Als Organisatorin veranstaltete sie nicht nur zahlreiche Konferenzen sondern seit 2007 jährlich das globale° - Festival für grenzüberschreitende Literatur in Bremen, das 2010 als eins der Projekte auf der UNESCO Year of Rapprochement of Cultures 2010 -Liste ausgezeichnet wurde. Als Rezensentin für den Rundfunk besprach sie neben verschiedenen Theoretikern u.a. Werke von Antonio Gramsci, Primo Levi, Nelly Sachs und Ingeborg Bachmann.
Ihre Dissertation zur Literatur ausländischer Autoren in Deutschland, 1996 unter dem Titel „Die Heimat heißt Babylon“: veröffentlicht, zählt inzwischen zu den Standardwerken über Migrantenliteratur in Deutschland. Das besondere Verdienst dieser Arbeit besteht darin, dass es der Autorin gelingt, der Reduktion interkultureller Literatur auf Schlagworte wie Betroffenheit, Authentizität oder kulturelle Differenz ein Rezeptionsmodell entgegenzustellen, das die Besonderheit der Texte nicht ausschließlich im Inhaltlichen, sondern in der ästhetischen Umsetzung interkultureller Erfahrungen verortet. Seither hat Amodeo sich in zahlreichen Veröffentlichungen und Lehrveranstaltungen weiter mit Phänomenen der literarischen Interkulturalität auseinandergesetzt und das Feld ihrer Forschungen von der deutschsprachigen Literatur auf italienischsprachige, englischsprachige und französischsprachige Literatur ausgeweitet. Neuere Buchveröffentlichungen (exemplarisch): Italien in Afrika – Afrika in Italien. Italo-afrikanische Literaturbeziehungen, Trier 2004 (hg. M. C. Ortner-Buchberger); Literatur ohne Grenzen. Interkulturelle Gegenwartsliteratur in Deutschland – Porträts und Positionen, Sulzbach/Taunus 2009 (hg. m. H. Hörner u. Ch. Kiemle), Zu Hause in der Welt. Topographien einer grenzüberschreitenden Literatur, Sulzbach/ Taunus 2010 (hg. M. H. Hörner) und WortWelten. Positionen deutschsprachiger Gegenwartsliteratur zwischen Politik und Ästhetik, Sulzbach/Taunus 2011 (hg. m. H. Hörner und J.-He. Weidemann).
Während ihrer Gastprofessur wird Amodeo ausgewählte Migrationsbewegungen des 20. und des 21. Jahrhunderts und ihre literarischen Effekte näher untersuchen. Das Interesse an den ästhetischen, spezifisch literarischen Besonderheiten von Migrationsliteratur gilt sowohl den einzelnen Texten und ihrer originären literarischen Umsetzung von Migrationserfahrungen wie auch der Untersuchung von poetischen und poetologischen Gemeinsamkeiten von Migrationsliteraturen. Hinzukommt in einem weiteren, nicht zu vernachlässigenden Schritt die Frage nach der Auswirkung interkultureller Literatur sowohl auf das literarische System eines Landes oder einer Nation wie auch auf die Konzeption von Literaturen als Nationalliteraturen allgemein. Dazu gehören etwa Fragen der literarischen Kanonbildung, der Repräsentation und Institutionalisierung aufkommender literarischer Phänomene, aber auch der Brauchbarkeit verschiedener theoretischer Paradigmen und Konzepte wie z.B. Interkulturalität, Kreolisierung oder Hybridität. Neben der Migrationsliteratur in Deutschland beabsichtigt Prof. Amodeo, die Migrationsliteratur in Kanada (z.B. Antonio D’Alfonso als Beispiel eines Englisch und Französisch schreibenden Autors mit italienischem Hintergrund), die Migrationsliteratur in Großbritannien und dabei besonders die Funktion des Kolonialismus und des Post-Kolonialismus für Sprachentscheidungen (vgl. Chinua Achebe vs. Ngugi wa Thiong’o), die Migrationsliteratur in Frankreich und – als ein sehr junges Bespiel – jene, die gerade in Italien von Autoren aus Afrika, Albanien oder Südamerika im Entstehen begriffen ist, zu betrachten.
Eine Lehrveranstaltung, im Modul Interkulturalität der Master-Studiengangs Komparatistik integriert, wird für Studierende der Buchwissenschaft und der Romanistik geöffnet sein, kann aber auch von interessierten Studierenden anderer Philologien oder sonstiger Geistes- oder Sozialwissenschaften besucht werden. Zudem wird sie öffentliche Vorträge halten, in denen sie die von ihr untersuchten Fragestellungen sowie ihre Forschungsergebnisse in exemplarischer Weise auch fachfremden Zuhörern präsentieren wird.
Der bereits bestehende Kontakt zu Prof. Amodeo soll durch die Gastprofessur intensiviert und zu einer längerfristigen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der literarischen Interkulturalität sowie der Erforschung von Migrationsliteratur ausgebaut werden. Geplant ist, in einem ersten Schritt zusammen mit Prof. Amodeo ein Konzept für eine internationale Tagung zur Literatur der Migration zu erarbeiten, bei der mit international renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern grundlegende Fragen und zentrale Beispiele neuerer Migrationsliteratur diskutiert werden sollen. Auch sollen mit Prof. Amodeo die Möglichkeiten einer intensiveren Zusammenarbeit mit der Villa Vigoni erörtert werden.