Prof. Dr. Almut Shulamit Bruckstein

Wintersemester 2022/23  /  2021/22

Photo: Copyright Linda Rosa Saal


Prof. Dr. Almut Shulamit Bruckstein


Prof. Dr. Almut Shulamit Bruckstein ist Gründerin des Taswir-Projekts, internationale Kuratorin, Kulturtheoretikerin, Kunstkritikerin und Autorin.

Taswir Projects ist eine internationale Plattform für künstlerische Forschung und diasporische Denkformen. Sie arbeitet mit einer internationalen Faculty von Künstlerinnen und Gelehrten an transdisziplinären Fragestellungen in Form von Ausstellungen, Publikationen, und runden „Tischen der Gelehrten.“ Taswir Projects verbindet zeitgenössische künstlerischen Forschung, Bildwissenschaft, Psychoanalyse und Gender Studien mit klassischen Literaturen der Antike wie etwa dem Talmud, den Literaturen des Kalam und mehr. Das Taswir Netzwerk verbindet künstlerische und intellektuelle Positionen von Künstlerinnen und Gelehrten aus dem Mittleren und Nahen Osten, insbesondere aus Istanbul, Beirut, Berlin, Bagdad, Teheran, und Kairo. Seine Arbeit besteht in der kontinuierlichen Verknüpfung zeitgenössischer und vormoderner (antiker) Materialien, Bilder, Texte, Poesien, Theorien.

Bruckstein hatte zahlreiche Gastprofessuren und Fellowships in Hamburg, Philadelphia, Berlin, Frankfurt a.M., Basel und Istanbul inne. Sie kuratierte zahlreiche Ausstellungen und ihre Veröffentlichungen umfassen Monografien, Essays, Dossiers, Kunstkritiken, und Feuilleton Beiträge zu jüdischer Denktraditionen, Bildwissenschaft, Kritiken kolonialer Ausstellungspraxis, und Gender-Theorien. Unter ihren jüngsten Veröffentlichungen und Ausstellungen sind „Lady Dada Kalam“ (2017), „Wednesday Society. The Couch of Meret O.“ (2019), „House of Taswir“ (2014), “Fragments From Our Beautiful Future” (2017), und “Freud. Talmud. Taswir” (2019).

Fellow-Aufenthalt WS 2022/23 am FTSK Germersheim

In Germersheim lädt Bruckstein in den Räumen der Simultandolmetscheranlagen zur Teilnahme an einem künstlerischen Projekt zwischen Translationswissenschaft und Ausstellungsperformance ein. Das Verhältnis von Originalität und Sekundarität, der mimetische Charakter der Translation und Fragen der psycho-poietischen Bedingungen von Mitschriften spielen dabei eine zentrale Rolle. Konzepte wie "Rewriting" (Lefevere) und "Palimpsest" (Arrojo) werden performativ exploriert und postessentialistische Diskurse der Translation im Diskurs vertieft. Bruckstein lädt die Studierenden des Germersheimer Fachbereichs dazu ein, mittels der künstlerischen Forschung ungewohnte Perspektiven der Translationswissenschaft zu eröffnen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Dilek Dizdar wird Bruckstein ein Seminar zu Translationstheorie und Kunst geben und an der Germersheimer Projektwoche teilnehmen.  Von Oktober bis Dezember lädt sie in drei Sitzungen zu einem künstlerisch-translatorischem Workshop ein, dessen Konzept hier vorgestellt wird.

Workshop-Projekt

Translationen finden in-situ, simultan, und mündlich statt, sie sind Übersetzung, Vermittlung, Verhandlung, Verständigung, Mediation zwischen Parteien. Aber Übersetzung ist auch Performanz, eine, die Abweichungen, Ambivalenzen, Mehrdeutigkeiten, Unbestimmtheiten, Differenzen, Störungen, Fehler, Missverständnisse produziert. Das Projekt imaginiert einen performativen Prozess der künstlerischen Forschung, in dem diese Abweichungen, Störungen, Missverständnisse zur Grundlage einer poetischen Materialsammlung werden. Dabei interessiert das im schnellen Prozess des spontanen Übersetzens gewöhnlich Beiseite-Geschobene, Verdrängte, Übergangene und Vergessene. Die idiosynkratische Abweichung der in den Kabinen monadisch arbeitenden Übersetzer wird zum Schlüssel eines ungeschriebenen Werks, zu dem das hier vorgestellte Projekt das Material liefert. Die konkreten Schritte, die zu einer solchen Materialsammlung führen, bestehen aus drei Workshops, die bis Ende 2022 unter Leitung von Shulamit Bruckstein a.k.a. House of Taswir in dem großen Translations-Studio in Germersheim stattfinden.

Die Protagonist:inen des ersten Workshops sind drei Schriftsteller:innen. Sie sitzen vorne am Podium und präsentieren den „Urtext“ der Materialsammlung. „Scribes“, das heißt Faculty, auswärtige Gelehrte, aber auch interessierte Freunde und Studierende, protokollieren dazu eigene Gedanken, machen Notizen und Anmerkungen zu dem, was die Protagonistinnen sprechen, zeichnen eigene Ideen auf, notieren Fußnoten, Rückfragen, eigene Szenarien. Die in den Kabinen sitzenden Translators übersetzen die Präsentationen der drei Protagonist:innen (den „Urtext“) und alles das, was unter den „Scribes“ ausgetauscht und gesprochen wird. Sie notieren dazu auch Beobachtungen zu Körpergesten, Stimmlagen, Stimmungsfeldern der Sprechenden. Im zweiten Workshop erarbeiten Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine vielsprachige Synopse des gesamten Materials. So entsteht das Konvolut einer vielschichtigen Materialsammlung, die in einem großen Schriftstück, oder auch „Partitur“ des Projekt zusammengeführt wird. In einem dritten Workshop wird diese große „Partitur“ von den Anwesenden unter der Perspektive künstlerischer Kreativität gesichtet, Szenarien verschiedenster künstlerischer Werk-Ideen werden entworfen. Dabei gehören Sound-Installationen, zeitgenössische Kompositionen, choreographische Arbeiten wie auch dramaturgische Szenarien zu den künstlerischen Möglichkeiten. Die Dissemination des Translationsprozesses in die verschiedensten Räume künstlerischer Produktion und Forschung ist die Grundidee des Projekts.

Brucksteins Fellow-Aufenthalt WS 2021/22 in der Orangerei der Kunsthochschule Mainz

Während des Wintersemesters 2021/2022 hat Bruckstein im Rahmen ihres Fellow-Aufenthalts an der Kunsthochschule Mainz in der „Orangerei“ einen Aktions- und Ausstellungsraum eröffnet, das die Form eines öffentlichen, performativen Lehrhauses und Denkraums der künstlerischen Forschung angenommen hat. Bruckstein hat darin mit dem Forum Transkulturalisieren zusammengearbeitet, eine von Prof. Dr. Linda Hentschel und Prof. Parastou Forouhar im Rahmen der Kunsthochschule Mainz geleitete experimentelle Plattform für Eurozentrismuskritik und künstlerisch-theoretische Interventionen in postkolonialen Kontexten. In der Orangerei hat Bruckstein performative Sprach- und Schreibapparaturen entwickelt, die sie zusammen mit den Studierenden des FTSK in dem jetzt neu aufgelegten Translations-Projekt in Germersheim aufgreifen und künstlerisch weiterentwickeln wird.

Öffentlicher Vortrag am 28. Oktober 2021
Wie bauen wir ein Haus aus Nichts. Die Orangerei als Kleine Mnemosyne.


Ihre jüngsten Projekte sind:

2021

Author and Editor (ctd), Wednesday Society Dossier I-IV, edited by House of Taswir in collaboration with Art Unlimited Istanbul. With authors A.S. Bruckstein Çoruh, Julia Gyemant, Özgür Öğütcen, Ceren Korulsan, Simone-Weill Denk-Kollektiv, and artists Rebecca Horn, Ali Kaaf, Rebecca Raue,Shaqayeq Ahmadian, Thomas Hirschhorn, a.o.

Audio-Performance, Audio-Performance Salon der Leerstellen. Die Gespräche Podcast Series from Meine Kleine Mnemosyne, WDR, Juni 2021.

Author and Performance, How (not) to speak shadows. For Walid Raad.Performance Lecture at Kunst-Station St. Peter, Cologne. Forthcoming in Art Unlimited Istanbul, September 2021.

Author, The Talmudic War Machine. A Shadow's Dream.” Forthcoming in Protocols no. 8, Los Angelos, June 2021.