Prof. Dr. Christo van der Merwe

Wintersemester 2004/2005

Prof. Dr. Christo van der Merwe ist Theologe und Semitist an der Universität Stellenbosch (Südafrika). Seit 1997 leitet er dort das neu gegründete Zentrum für Bibelübersetzungen in Afrika, das vor allem schwarzafrikanischen Studierenden ein geeignetes bibel- und kulturwissenschaftliches Rüstzeug vermitteln soll, damit sie bei aktuellen Bibelübersetzungsprojekten sowohl den Ergebnissen der modernen Bibel- und Translationswissenschaften als auch dem kulturellen Horizont des angezielten Publikums gerecht werden können. Prof. van der Merwe steht somit einem universitären Zentrum vor, das in Forschung, Lehre und praktischer Applikation der kulturellen Vermittlung dient.

1957 in Beaufort West geboren, studierte van der Merwe Theologie und Semitistik an den Universitäten Stellenbosch und München. Ab 1983 nahm er Lehrtätigkeiten an der University of the North in Sovenga wahr. 1988 wurde er in Stellenbosch promoviert mit der Arbeit: The Old Hebrew particle gam . A syntactic-semantic description of gam in Genesis – 2 Kings (Arbeiten zu Text und Sprache im Alten Testament 34), St. Ottilien: Eos 1990. Seit 1989 in Stellenbosch tätig, wurde ihm 1992 dort der Eric-Samson-Stiftungslehrstuhl für Biblisch-Hebräische Grammatik übertragen. Seit 1997 amtiert er als Direktor des Zentrums für Bibelübersetzungen in Afrika. Seine aktuellen Forschungen beziehen sich auf die Anwendung der neueren Translationswissenschaft auf Bibelübersetzungen in Afrika sowie auf den Einsatz elektronischer Arbeitsinstrumente in wissenschaftlicher Exegese und Übersetzungstätigkeit.

Aus seinen zahlreichen Veröffentlichungen seien hervorgehoben: J. A. Naudé / J. H. Kroeze / C. van der Merwe , A Biblical Hebrew reference grammar (Biblical languages: Hebrew 3), Sheffield: Academic Press 1999; J. A. Naudé / C. van der Merwe (eds.), Contemporary translation studies and Bible translation. A South African perspective (Acta Theologica Supple­ment 2), Bloemfontein: University of the Free State 2002.

Netzseiten: http://www.sun.ac.za/as/Department.htm; http://www.sun.ac.za/as/cbta


Wichtiger Hinweis: Prof. van der Merwe wird auf Englisch referieren und setzt für seine Vorlesung "Analysis of the information structure of Biblical narrative texts" Hebräischkenntnisse voraus!


Vorträge

Afrikanische Bibelübersetzungen und westliche Wissenschaft

Der afrikanische Kontinent hat eine für Europäer unvorstellbar bunte Sprachenlandschaft bewahrt. Grob 2000 Idiome könnten es sein, wie Experten mutmaßen; vielleicht weniger, aber vielleicht auch viel mehr – je nach dem, wie man die Grenzen zieht. Mitunter kann man auf einem Tagesmarsch die Verbreitungsgebiete mehrerer Sprachen durchwandern, die nicht ein­mal miteinander verwandt sind. Dies und das dynamische Wachstum des Christentums erzeugen eine steigende Nachfrage nach Bibelübersetzungen, also nach Wiedergaben eines Buches, das einer semitischen Kultur entstammt, die europäische Kultur fundamental geprägt hat und nun wieder einem neuen, in sich differenzierten Kulturraum begegnet. Wie kann man unter solchen Umständen gleichzeitig die Herkunft jener Literatur, das westlich geprägte wissenschaftliche Wahrheitsgewissen und der Kultur der Adressaten respektieren? Und das unter den Bedingungen eines armen Kontinents, wo bei den meisten Sprachen weder Regelwerke noch Lehrmittel existieren und den Übersetzern allenfalls die nötigsten philologischen, theologischen und kulturwissenwissenschaftlichen Kenntnisse vermittelt werden können?

November 2004


Gender in Schwarzafrika. Am Beispiel des „Neuen Südafrika“

Das „Neue Südafrika“, wie das Land seit der Wende von 1994 gerne getauft wird, bietet ein faszinierendes Amalgam von Tradition und Moderne: von Hexerei und Handy, Medizinmann und Herztransplantation, patriarchaler Großfamilie und Feminismus. Eine Verfassung, die als eine der modernsten der Welt gilt, sucht nicht nur sehr verschiedene Ethnien, Sprachen und Kulturen, sondern auch weit auseinanderliegende Lebensentwürfe in einem hoch ambitionierten Projekt des nation building zu einem friedlichen, konstruktiven Miteinander zusammenzuführen. Welche Gegensätze dabei zutage treten, ist auch hierzulande am Beispiel des Umgangs mit der Aids-Pandemie bekannt geworden. Der Vortrag Prof. van der Merwes wird ein anderes gesellschaftlich brisantes Exempel beleuchten: den Wandel der Geschlechterrollen.

Januar 2005